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Team 2018/19

Warum sich die Teilnahme an einem Moot Court lohnt. Das Freiburger Team, bestehend aus Siyabend Duman, Jannik Escher, Alena Hünermund und Helen Scholz, berichtet von seinen Erfahrungen. Das Team nahm vom 20. Februar bis zum 24. Februar 2019 erfolgreich an den German National Rounds des Philip C. Jessup International Law Moot Courts in Hamburg teil. Der Fall hielt völkerrechtliche Probleme in den Bereichen Staatenverantwortlichkeit, Umweltschutz, Menschenrechte und internationaler Schutz von indigenen Bevölkerungen bereit.

Erfahrungsbericht


Bewerbungsphase

Am Anfang steht die Entscheidung etwas zu wagen und sich zu bewerben. Mit anderen BewerberInnen wurden wir nach Einreichung der schriftlichen Bewerbungen direkt mit einem mündlichen Vortrag auf englischer Sprache und einem Bewerbungsgespräch herausgefordert. Denn wichtige Voraussetzungen für eine Teilnahme am Jessup sind nicht nur Teamfähigkeit und eine gewisse Belastbarkeit, sondern auch rhetorische Fähigkeiten und das Beherrschen der englischen Sprache. Nicht ahnend was uns noch bevorstehen würde, gehörten wir am Ende zu den glücklichen BewerberInnen, die unsere Coaches Elisabeth Andersen, Maximilian Stützel und Franka Trenz auswählten, um die Universität Freiburg bei der Teilnahme am Philip C. Jessup International Law Moot Court zu vertreten; vier Studierende im dritten Semester, die noch nie eine Vorlesung für Völkerrecht besucht hatten.

Um diese Lücke zu schließen, gaben unsere Coaches in einer ersten intensiven Arbeitsphase einen einwöchigen Völkerrechtscrashkurs. Am Anfang noch vollkommen überfordert mit den langen Urteilen auf englischer Sprache, der Vielzahl von Rechtsquellen und den Unterschieden zwischen Anwalts-- und Gutachten-Stil, hatten wir nach dieser Crashkurs-Woche schon einen sehr guten Überblick über die relevanten Themen. Allein aufgrund des Crashkurses hätte sich die Bewerbung wahrscheinlich schon gelohnt. Doch dieser sollte nur der erste Schritt einer langen Reise sein.

 

Schriftsatzphase

Am 14. September 2018 wurde der Sachverhalt veröffentlicht. Damit war die Wettbewerbsphase offiziell eröffnet. Mit einer gewissen Aufregung und in dem Bewusstsein, dass zeitgleich 600 andere Teams weltweit ihre Vorbereitungen starteten, lasen wir den Sachverhalt das erste Mal. Ein Streit zwischen zwei Staaten eskaliert soweit, dass der fiktive Staat „Aurok“ den Industriestaat „Rakkab“ des Rechtsbruchs in vier Kategorien bezichtigt. Während die Menschen in Aurok eine zwischen den beiden Staaten migrierende Yakherde für ihre kulturellen und religiösen Zeremonien benutzen wollen, hat ein Konzern in Rakkab aus der Gallenblase der Yak eine Medizin für Diabetes entwickelt. Keiner von beiden will aber auf die Jagd verzichten, obwohl die Herde immer weiter dezimiert wird. Zusätzlich behaupten die Aurokaner, dass die Medizin auf ihrem Wissen beruht und Rakkab den Konzern von der Jagd abhalten müsse.

Wir wussten nun also, dass wir uns im nächsten halben Jahr mit Staatenverantwortlichkeit, Umweltrecht, Menschenrechten und geistigem Eigentum von indigenen Völkern beschäftigen würden. Wenig später trafen wir uns und besprachen unsere ersten Ideen. Dann teilten wir ein, wer welches Land in welchen Kategorien vertreten würde.

Von nun an trafen wir uns jeden Tag in unserem Arbeitsraum und begannen zu lesen. Verträge, Urteile, Aufsätze, Zeitschriften, Fachbücher, Gesetzesentwürfe. Mit diesen Informationen versuchten wir stichhaltig zu argumentieren, warum unser Staat im Recht und der andere im Unrecht sei. Dabei gaben unsere fleißigen Coaches uns wöchentlich strenges, aber auch sehr hilfreiches Feedback. Schnell wurde die Zeit, die wir an unserem neuen Arbeitsplatz verbrachten, länger, das Wochenende kürzer und der Kaffeekonsum höher. Das Ziel war klar: Wir wollten zu den Besten gehören und es nach den National Rounds in Hamburg in die International Rounds in Washington, D.C. schaffen.

Ein schöner Nebeneffekt des zeitlichen Engagements war, dass wir als Team zusammenwuchsen. Wir haben gemeinsam Höhen und Tiefen erlebt, gemeinsam an Lösungen gearbeitet und mehr Zeit in einem Raum miteinander verbracht als zuhause. Das lustige Miteinander und die intensive Zusammenarbeit bieten viele schöne Erinnerungen. Außerdem wurde unser Alltag aufgeheitert von gelegentlichen Besuchen der Jessup Alumni, die uns unterstützten, indem sie Snacks vorbeibrachten, uns zu Kaffeepausen überredeten und monatlich mit uns in die Mensa gingen.

Doch wenn wir nach drei Monaten Schriftsatzphase dachten, unser Arbeitsaufwand und Kaffeekonsum könnte sich nicht mehr steigern, hatten wir uns getäuscht. In der Endphase begann sich ein großer Teil unseres Alltags um den Schriftsatz zu drehen. Wir arbeiteten Tag und Nacht an dem Schriftsatz, schärften Argumente, kürzten Formulierungen und überprüften die Quellen. Dabei standen uns unsere Coaches zur Seite.

Glückliche Gesichter um 5 Uhr morgens, nach erfolgreicher Abgabe des Schriftsatzes.

All dies, um an unserer persönlichen Deadline, eine Woche vor offizieller Abgabe der Schriftsätze, fertig zu sein. Und um 5 Uhr morgens hatten wir es dann endlich geschafft. Vier Monate Arbeit in einem Dokument. Durchaus stolz auf den fertigen Schriftsatz nutzten wir die gewonnene Woche, um uns auszuruhen, um fit zu sein für den letzten und wichtigsten Teil des Wettkampfes. Die Pleadingphase.

 

Pleadingphase

Die Pleadingphase ist die mündliche Phase des Wettbewerbs. Es geht darum, die Richterbank in 20 Minuten von den Argumenten der eigenen Seite zu überzeugen. Und wir lernten, dass wir, um die Richter zu überzeugen, nicht nur selbstbewusste Rhetorik und Fachenglisch präsentieren müssen, sondern auch, dass wir uns an die individuellen Richterbänke anpassen müssen. Das bedeutet, während des Vortrages festzustellen, welche Argumente die Richter überzeugen, wo nachgeliefert werden muss und welche Punkte übersprungen werden können, um das strenge Zeitlimit nicht zu überschreiten. Unglaublich dankbar sind wir daher unseren Coaches, den Jessup Alumni, den Mitarbeitern des Lehrstuhls und den externen Freunden des Jessups, die alle möglichen Szenarien mit uns trainierten. Und auch wenn unser Vortrag, besonders zu Beginn, häufig von Fragen zerschossen wurde und wir nur noch unsicher vor uns hin stammelten, gehörte dies mit zu unserer spaßigsten Zeit. Und gerade, als wir uns nach Rhetoriktrainings und viel Feedback in unserem quasi anwaltlichen Leben sehr sicher fühlten, überraschten unsere Coaches uns mit einem taktischen Seitenwechsel. Jeder von uns sollte nun die gegenteilige Position vertreten und unsere alte Argumentationsstruktur aushebeln.

Überraschend schnell fühlten wir uns auch in der neuen Position sicher und wurden vor eine letzte Prüfung gestellt: Die Kanzleibesuche. Wir kramten unsere Business Anzüge und Blusen heraus, kauften Schuhe und Krawatten. Unglaublich schien es, dass hochbezahlte Topanwälte sich unsere kurzen Vorträge anhören würden. Doch namhafte Kanzleien wie Clearly Gottlieb Steen & Hamilton, Gleiss Lutz, Shearman & Sterling, Skadden Arps, Slate, Meagher & Flom und White & Case empfingen uns in ihren modernen Büros. Durch ihre Fragen und ihr Feedback konnten wir unseren Vortrag weiter verfeinern. Wir hatten außerdem die Möglichkeit, uns bei anschließenden Gesprächen und Häppchen mit den Anwälten auszutauschen. Ein besserer Einblick in den Arbeitsalltag eines Topanwalts während des Studiums ist wohl nicht möglich.

 

Das Team mit Coaches vor der Frankfurter Skyline. Was leider nicht zu sehen ist: Das vorzügliche Buffet.

Das Team mit den Coaches vor der Frankfurter Skyline. Was leider nicht zu sehen ist: das vorzügliche Buffet.

 

German National Rounds in Hamburg

Morgens, am 20. Februar ging es los und wir saßen im Zug nach Hamburg. Auf der fünfstündigen Fahrt nutzten wir die Zeit und wiederholten allgemeine Fragen des Völkerrechts. Angekommen, bezogen wir unsere Zimmer, machten uns schick und genossen die Welcome Party bei Häppchen und Willkommensreden. Doch dann ging es plötzlich ganz schnell, die Teams wurden zugelost und die Schriftsätze ausgetauscht. Hektisch versuchte jedes Team den Saal durch einen der Aufzüge zu verlassen, um möglichst schnell die letzten Vorbereitungen starten zu können. Man fühlte sich ein wenig wie bei der Jagd nach Mr. X.

Team 2018/19

Gegen vier Teams traten wir in der Vorrunde an. Sehr früh am nächsten Morgen standen wir auf und unser Respondent (Beklagter) trat gegen das erste Team an. Die Aufregung war groß. Der Auftritt von 20 Minuten entschied über unsere gemeinsame Arbeit im letzten halben Jahr. Kleinste Nachlässigkeiten konnten ein Ausscheiden bedeuten. Es galt, die Nerven zu bewahren. Nach vier spannenden Pleadings ließ sich unmöglich sagen, ob wir es geschafft hatten. Doch beim Announcement Dinner wurde klar. Wir hatten es ins Viertelfinale geschafft!

Obwohl wir dann im Viertelfinale gegen das Münchner Team der LMU knapp ausschieden, war die Teilnahme am Ende ein voller Erfolg. Allein die juristischen Fähigkeiten, die wir an diesem frühen Punkt des Studiums mit Hilfe der Coaches erwerben konnten, sind unglaublich. Nicht nur das Studium wird uns leichter fallen, sondern auch bei Bewerbungen, versicherten uns die Kanzleien, würde großer Wert auf die Teilnahme an einem Moot Court gelegt. Und zum krönenden Abschluss gewannen unsere Schriftsätze für Kläger- und Beklagten mit ihrer Gesamtwertung den „Best Memorial Award“. Der Klägerschriftsatz wurde darüber hinaus auch noch einzeln mit dem „Best Applicant Memorial Award“ ausgezeichnet. Damit konnten wir uns gegen 19 deutsche Universitäten, die an den German National Rounds teilgenommen hatten, durchsetzen.

Stolze Gesichter. Die Jessup Zeit wird mit der Auszeichnung des „Best Memorial Awards“ abgerundet.

Stolze Gesichter. Die Jessup Zeit wird mit der Auszeichnung des „Best Memorial Awards“ abgerundet.

Abschließend danken wir allen, die uns auf unserem Weg nach Hamburg unterstützt haben, insbesondere unseren großartigen Coaches. Danken wollen wir vor allem auch unseren Sponsoren: der Fachschaft Jura in Freiburg, der BUND Stiftung und Clearly Gottlieb Steen & Hamilton, Gleiss Lutz, Shearman & Sterling, Skadden Arps, Slate, Meagher & Flom sowie White & Case, ohne die eine Teilnahme am Jessup gar nicht möglich gewesen wäre. Außerdem danken wir den National Administrators, die den Wettbewerb in Hamburg organisiert und zu einem tollen Erlebnis gemacht haben.

Wir können jedem nur empfehlen, etwas zu wagen und sich zu bewerben. Und wir freuen uns natürlich schon auf das nächste Team, welches das Ziel Washington, D.C. erneut ins Visier nehmen kann.

 

Siyabend Duman, Jannik Escher, Alena Hünermund, Helen Scholz