Sie sind hier: Startseite Erfahrungsberichte Team 2016/17

Team 2016/17

Das Freiburger Team, bestehend aus Björn Rieder, Elisabeth Andersen, Emre Susamci, Henri Weindel und Mauritz von Wedemeyer, hat vom 8. bis 12. März 2017 am nationalen Vorentscheid des Philip C. Jessup International Law Moot Courts in Passau teilgenommen.

Unter 20 deutschen Universitäten, mit denen die Freiburger „Mooties" sich duellierten, belegte das diesjährige Team den 4. Platz und wir gratulieren Emre Susamci herzlichst zu seiner „Best Oralist Runner-Up"-Auszeichnung. Nur knapp wurde die Chance auf die Fahrt nach Washington verpasst.

Weitere Infos zum deutschen Vorentscheid finden Sie hier.

Jessup Team Freiburg 2017

Von links nach rechts: Felix Beck (Coach), Elisabeth Andersen, Mauritz von Wedemeyer, Björn Rieder, Emre Susamci, Friedrich Arndt (Student Coach), Henri Weindel

Können Staaten Schadensersatz für Flüchtlinge von deren Herkunftsstaat fordern? Wie ist die Zerstörung von Weltnatur- und Kulturerbe rechtlich zu beurteilen? Und wie findet man eine gerechte Lösung bei der Nutzung und Aufteilung grenzüberschreitender Wasserresourcen?

Drei Themen, die hochaktuell sind und die im Fokus des diesjährigen Jessup-Sachverhalt (Compromis genannt) standen.

Bewerbungsphase

Doch bevor wir uns mit diesen interessanten Themen intensiver befassen durften, mussten wir erst einmal das Bewerbungsprozedere hinter uns bringen. Die meisten von uns nutzten schon Anfang Juni 2016 die Gelegenheit erste Fragen und Eindrücke im Gespräch mit alten „Mooties" und den Coaches bei der Veranstaltung „Meet the Moots" auszutauschen. Bei der Bewerbung lernten wir dann die Coaches näher kennen und durften ein völkerrechtliches Thema unserer Wahl vorstellen. Wer Glück hatte, traf sogar einen Aspekt, der in dem kommenden Compromis vorkam.

Nachdem wir alle das Bewerbungsprozedere gemeistert hatten und uns als Auserwählte (noch!) glücklich schätzen durften, bekamen wir schon einmal einen Vorgeschmack auf den Arbeitsaufwand, der uns im nächsten halben Jahr erwartete.
An einem Mittwochabend erreichte uns eine Leseliste von gefühlten 1000 Seiten, die wir idealerweise bis zum darauffolgenden Montag abgearbeitet haben sollten. Der Haken: dazwischen lag ein Wochenende mit schönstem Sonnenschein... Irgendwie haben wir es am Ende doch alle geschafft. Es folgte eine intensive einwöchige Odyssee durch die Tiefen des Völkerrechts inklusive Staatensouveränität, Rechtsquellenlehre und Umweltvölkerrecht. Rückblickend waren wir sehr froh über diese erste Qual, da uns der Crashkurs den Einstieg in den Compromis erheblich erleichterte. Unsere erste Teamleistung hatten wir also gemeistert!

Schriftsatzphase

Am 12. September wurde der heiß ersehnte Compromis dann endlich veröffentlicht und die Schriftsatzphase begann, in der jedes Team seine Memorials erstellt. Das sind die Schriftsätze der Anklage und der Verteidigung, die beim Internationalen Gerichtshof einzureichen sind und die der Gegenseite kurz vor der Verhandlung zugestellt werden.

Da wir erst eine Woche später im Team starteten, begannen wir schon zuhause/im Urlaub erste Sachverhaltsübersichten zu erstellen und Ideen aufzuschreiben. Nach einem weiteren Briefing durch unsere beiden Coaches ging die inhaltliche Arbeit endlich los. In den ersten Wochen lag die hauptsächliche Arbeit im Recherchieren und Erstellen von Gliederungsübersichten, die wir wöchentlich mit unseren Coaches besprachen. Dabei wurden alle Ideen auf Herz und Nieren überprüft, Gliederungen verworfen und wiederaufgenommen – die ersten Unstimmigkeiten zwischen Coaches und Teammitgliedern traten auf. Jedoch ist das Diskutieren im Team ein Muss: Welches Argument zieht? Wo braucht es noch mehr Erklärungen?

Erst Ende Oktober ging das Schreiben los. Auch dies gestaltete sich nicht so einfach wie gedacht, sondern musste erst einmal geübt werden, denn der Jessup-Stil war gefragt – dieser Argumentationaufbau ist dem Urteilsstil nicht unähnlich, da er zuerst immer das Ergebnis der Argumentation definiert und dann schrittweise begründet. Erfreulich war immer das traditionelle „So what?", das wir zu hören bekamen, wenn der Jessup Stil nicht eingehalten wurde und deshalb nicht klar war, was wir mit unseren Argumentationen eigentlich zu begründen versuchten. Zum Glück half Felix uns dann meistens weiter ...

Mit fortschreitender Zeit stiegen Kaffeekonsum, Arbeitszeiten und die Hoffnung auf eine vernünftige Weihnachtspause. Die vier Themenbereiche zu bearbeiten brauchte allerdings Zeit, die man nicht unterschätzen darf. Jedes annähernd relevante Urteil und jede noch so wirre Dissertation wurden durchgearbeitet, um die besten, logischsten und überzeugendsten Argumente zu finden.
Wir gaben alles, um vor Weihnachten eine erste Finalversion fertigzustellen, mussten am Ende aber trotzdem auf die heiß ersehnte Pause zwischen Weihnachten und Neujahr verzichten. Nur die „alten Mooties", die über die Weihnachtsfeiertage unsere Schriftsätze lesen durften, traf es noch härter – an dieser Stelle ein Riesendank für eure Hilfe!

Am 28.12. ging es munter weiter. Immerhin nutzten wir die Tage nach Weihnachten nicht für unnötiges Rumsitzen, sondern dazu unseren vierten Claim komplett umzuschmeißen und neu zu schreiben. Die Nerven im Team lagen endgültig blank. Harte wochenlange Arbeit wurde vermeintlich zunichte gemacht, um in einer 5-stündigen Nachtsession besser geschrieben zu werden, Claim 1/2/3 warteten noch auf ihre Generalüberholung, Deadline war am 13. Januar! Arbeitszeiten von 8h morgens bis 1h nachts wurden die Regel, das KG II unser zuhause. That's Jessup!
Danach war eine Woche Ruhe ...

Dies klingt zwar sehr anstrengend und das war es auch. Die Monate bestanden aber nicht nur aus langweiligem Arbeiten, sondern auch aus vielen lustigen Erlebnissen, langen Diskussionsphasen über Gott und die Welt sowie gemeinsamen Erfahrungen, die uns als Team haben zusammenwachsen lassen.

Die inhaltliche Arbeit, Argumente für beide Parteien zu finden und bestmöglich zu repräsentieren, findet man in der Weise im herkömmlichen Jurastudium (leider!) kaum. Die harte Arbeit an den Schriftsätzen bringt daher viel mit sich und lohnt sich am Ende auch! Erst einmal für die Vorbereitung auf die mündliche Phase und auch in Passau durften wir uns über gutes Feedback der Richter freuen: „A German memorial that REALLY ARGUES".

Wir sind sehr stolz auf unsere Zusammenarbeit am Schriftsatz und die Schriftsatzphase (wenn auch anstrengend) ist eine der schönsten und intensivsten Erinnerungen unserer gemeinsamen Jessup-Zeit.

Probepleadings

Mit dem Ende der Schriftsatzphase durften wir uns als Mooties aus den Untiefen der Bücherberge herausmanövrieren und tatsächlich anderen Menschen erklären, was wir die letzten Monate getrieben hatten. Aus 70-seitigen Memorials wurden 20-minütige Plädoyers („Pleadings"). Hier trennte sich noch einmal die Spreu vom Weizen bei unseren mit größter Sorgfalt ausgearbeiteten Argumenten. Wir mussten leider einsehen, dass das halbseitige argumentative Monstrum, welches abends um 23 Uhr nach drei Kaffee zu überzeugen weiß, nicht unbedingt für den mündlichen Vortrag geeignet ist. Hier zeigte sich die besondere Schwierigkeit des Jessup!

Natürlich erfordert die mündliche Phase die Durchdringung der rechtlichen Argumente aus der schriftlichen Phase. Dennoch handelt es sich beim Vortrag nicht um das Vorlesen der monatelang mit großer Liebe und Fleiß erstellten Memorials. So verabschiedeten wir uns sehr bald von unseren schriftlichen Notizen und standen anfangs leicht verschüchtert, später mit breiter Brust vor ehemaligen Jessup Alumni, Professoren und last but not least unseren Coaches, die uns mit den kompliziertesten Rechtsfragen bombardierten, während wir versuchten, unseren Vortrag möglichst souverän über die Bühne zu bringen. In dieser Phase hatten wir bis zu fünf Pleadings wöchentlich und bereiteten uns intensiv vor.

Hierbei lernten wir nicht nur unsere Argumente besser kennen, sondern auch wie man rhetorisch auf schwierige Situationen reagiert, insbesondere wenn man einfach keine Antwort auf die Fragen der Richter weiß. Glücklicherweise konnten wir durch intensives Training, die Anleitung unserer Zuhörer und Videoanalysen unsere Fähigkeiten auch im rhetorischen Bereich ausbauen und können dies als zusätzlichen Gewinn unserer Teilnahme am Moot Court verbuchen.

Schwarzwaldhütte

Ein besonderes Highlight war ein Wochenende auf der Fachschaftshütte im Schwarzwald. Hier konnten wir uns bei Speis und Trank (schwäbisch, zubereitet von einem Fleischermeister, aber auch die Vegetarier mussten nicht darben) auf das Team und unsere Pleadings konzentrieren.

Team 2017 auf dem Schauinsland

Auf der Hütte wurden die letzten Feinheiten geübt und individuellen Schwächen ausgemerzt. Im lauschigen Versammlungsaal wurden noch einmal die wichtigsten Quellen und Materialien besprochen und erörtert. Der Mehrgewinn war erheblich, wohl auch, weil das Wetter ausgedehnte Spaziergänge erlaubte, die sich ganz unmittelbar auf die Gemüter der Teammitglieder auswirkten und uns voller Tatendrang nach Freiburg zurückreisen ließen.

Frankfurt

Unser erstes Hochglanz-Magazin-fähiges Pleading schloss sich kurz danach an. In den Bürotürmen Frankfurts luden mehrere internationale Großkanzleien unser Team zum Jessup-Showdown ein. Gekleidet in Businessanzüge und frohen Mutes wurden wir den uns dargebrachten Herausforderungen sowohl in inhaltlicher als auch modischer Hinsicht gerecht. Bei Speis und Trank (nicht schwäbisch, ebenfalls für Vegetarier geeignet) äußerten die Anwälte, die selbst an internationalen Mandaten und Verfahren beteiligt waren, ihre Kritik und halfen uns beider weiteren Vorbereitung auf unser Ziel: die 2017 National Rounds in Passau.

Team 2017 in Frankfurt

National Rounds in Passau

Im März war es endlich soweit: Nach monatelanger Arbeit trat der Ernstfall ein und von nun an hieß es für die nächsten Tage nur noch: "Mr. President, your excellencies, may it please the Court." Nachts bekamen wir die Memorials unserer Vorrundenbegegnungen, studierten die Argumente der Gegenseite, bekamen letzte Rechtsprechungs-Briefings von unserem Fälle-Master Friedrich und bereiteten uns mental auf die Pleadings vor.

Um es vorwegzunehmen: Unser Team durfte nicht nach Washington D.C. fahren, wobei nur ein Sieg das Team von den internationalen Runden trennte. Dennoch waren wir überaus froh und sehr stolz auf unsere Leistung. Auf dem Weg in das Halbfinale gelang es unserem Team, die Erstplatzierten, Zweitplatzierten und Drittplatzierten des letzten Jahres zu schlagen. Wir durften vor Richtern des BVerfG, EGMR und sogar vor einem ehemaligen Richter des IGH sprechen und mit Ihnen rechtliche Fragen diskutieren.

Team 2017 in Passau

Bei den abschließenden Feierlichkeiten auf einem Schiff auf der Donau ließen wir es uns noch einmal gut gehen und unterhielten uns angeregt mit unseren Mitbewerbern und Richtern.

Wir blicken sehr gerne auf unser halbes Jahr „Jessup Moot Court" mit den vielen gemeinsamen Erlebnissen und Erfahrungen, die wir sammeln durften, zurück!

Björn Rieder, Elisabeth Andersen, Emre Susamci, Henri Weindel und Mauritz von Wedemeyer