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Team 2019/20

Das Freiburger Jessup Team 2019/2020, bestehend aus Sophia Gasenzer, Alexander Goeden, Johanna Heibrock und Friederike Utsch und betreut von Elisabeth Andersen, Siyabend Duman und Alena Hünermund, erreichte bei den German National Rounds im März 2020 in Göttingen den dritten Platz und qualifizierte sich damit erfolgreich für die Teilnahme an der internationalen Endausscheidung in Washington, D.C. Diese musste aufgrund des Coronavirus leider abgesagt werden.

Erfahrungsbericht


 

Bewerbungsphase und Crashkurs

 

Bevor der Wettkampf beginnen konnte, mussten wir mit den anderen Bewerber*innen das Bewerbungsverfahren durchlaufen. In dieser Phase bekamen wir eine Vorstellung von der inhaltlichen Arbeit der Moot Court-Teilnahme und welche Kompetenzen hierfür erforderlich sind. Jedem von uns wurde ein völkerrechtliches Thema zugeteilt, welches man auf Englisch vor einer „Richterbank“, bestehend aus den Coaches und Alumni, vortragen musste. Wie später im Wettkampf wurden wir hierbei mit Fragen unterbrochen, wobei die eigene Position verteidigt werden musste. Im Anschluss an unsere Vorträge kamen wir am Abend mit den Coaches und Alumni zu Pizza und Getränken zusammen und bekamen die Möglichkeit, uns etwas näher kennenzulernen. Am nächsten Tag wurde ein weiteres persönliches Bewerbungsgespräch geführt. Als wir unsere Zusage für das Team erhielten, freuten wir uns sehr auf die spannenden und arbeitsreichen kommenden Monate.

Da die meisten von uns vor der Teilnahme am Jessup noch nicht in Berührung mit dem Völkerrecht gekommen waren, organisierten unsere Coaches einen einwöchigen Crashkurs ins Völkerrecht und stellten uns für die Einarbeitung eine Vielzahl an Materialien zur Verfügung. In dieser Einführungswoche bekamen wir einen ersten Überblick über das weite Feld des Völkerrechts, eine Einführung in die Recherchetools und lernten die Teammitglieder erstmals näher kennen.

Das Jessup Team 2019/2020

Das Jessup Team 2019/2020 bestehend aus Sophia Gasenzer, Rory Dickson, Johanna Heibrock, Alexander Goeden und Friederike Utsch (v.l.n.r.).

 

Schriftsatzphase

 

Nach dem einwöchigen Crashkurs wurde der Sachverhalt veröffentlicht und damit begann die Jessup International Law Moot Court Competition 2019/20 offiziell. 25 Seiten Sachverhalt, der einen Rechtsstreit zwischen den fiktiven Staaten „Adawa“ und „Rasasa“ darstellt, wurden analysiert, gegliedert und bis zu den German National Rounds quasi auswendig gelernt. Der diesjährige Sachverhalt befasste sich mit der Legalität von autonomen Waffensystemen, der Immunität von Außenministern, die für die Begehung von Kriegsverbrechen angeklagt sind, der Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge sowie der Frage, ob es zulässig ist, eine Streitigkeit vor mehreren Gerichten zu verhandeln. Wie aktuell diese rechtlichen Fragestellungen sind, wurde uns immer wieder bewusst, wenn wir passende Urteile des IGH lasen oder aktuelle politische Ereignisse eine neue argumentative Basis baten.

Poster 2020 klein

In den ersten Wochen der Schriftsatzphase waren wir vor allem damit beschäftigt, eine erste Argumentationsstruktur zu entwickeln und zu recherchieren. Schnell füllten sich das Bücherregal und unsere Dropbox. Je nach Interessengebiet und Teamdynamik hatten wir uns inhaltlich aufgeteilt, sodass sich während des gesamten Wettbewerbs 2-3 Personen mit jeweils zwei Klagepunkten beschäftigten; das dann aber in Zusammenarbeit und im stetigen Austausch zwischen Kläger- und Beklagtenseite. Die permanente Auseinandersetzung mit den Argumenten der anderen Seite ermöglichte es, die Schwächen der eigenen Position zu erkennen und die eigenen Argumente zu schärfen.

Ab Oktober haben wir jede Woche zwei komplette Schriftsätze geschrieben bzw. überarbeitet, und diese samstags den Coaches abgegeben. Ihr Feedback erwartete uns jeden Montagmorgen in Form von inhaltlichen, formellen und sprachlichen Mängeln, aber auch Lob und Würdigung unserer Fortschritte sowie Input, in welche Richtung es sich lohnen könnte, noch weiter zu recherchieren.

Motiviert, das Beste aus unseren Schriftsätzen herauszuholen, wurden unsere Tage und Abende im „Office“ recht zügig länger und insbesondere die Samstagabende zogen sich immer öfter bis in die frühen Morgenstunden. Die Snackbar war gut gefüllt und unser Tee-, Kaffee und Cola-Konsum erhöhte sich. Kommiliton*innen und Freund*innen bekamen uns immer seltener zu Gesicht, dafür wuchsen wir als Team enger zusammen: die persönlichen Tiefpunkte und kleinen Reibereien wurden übertrumpft durch gegenseitige Unterstützung und lustige und erinnerungsreiche Momente.

Nach einer ungewöhnlich langen Weihnachtspause bis ins neue Jahr haben wir in der Endphase noch einmal kräftig Gas gegeben und sind in den letzten Tagen zu acht die gesamten Schriftsätze durchgegangen. Das war anstrengend und harte Arbeit, aber besonders der letzte Schliff an den Texten und das stoische Verbessern von Kleinigkeiten, haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass wir am Ende so erfolgreich abschneiden konnten.

Unsere Schriftsätze gaben wir schlussendlich nach einer Nachtschicht morgens um 10 Uhr ab.

 

Mündliche Phase

 

Nachdem die Schriftsätze abgegeben wurden, hatten wir erstmal ein Wochenende frei und dann ging es direkt weiter mit der Pleadingphase. In den nächsten Wochen übten wir, unsere schriftlichen Argumente mündlich vorzutragen. Ein Pleading dauert 90 Minuten, wobei jede Seite jeweils 45 Minuten Zeit hat, die Richter von ihren Argumenten zu überzeugen. Während des Pleadings wird man oft mit kritischen Fragen unterbrochen und muss trotzdem versuchen, das strikte Zeitlimit einzuhalten und seine Argumentationslinie nicht aus den Augen zu verlieren. Hierbei versuchten unsere Coaches uns auf alle möglichen Szenarien vorzubereiten: wir mussten unser Pleading von hinten nach vorne vortragen, wurden zu Themen gefragt, die so eigentlich nicht in unserem Pleading vorkamen und mussten auch die Argumente der Gegenseite präsentieren. Anschließend gab es immer eine sehr ausführliche Feedback-Runde, bei der alles von inhaltlichen Fragen bis zu strukturellen Problemen und äußerlichem Auftreten diskutiert wurde. Den Rest des Tages waren wir immer damit beschäftigt, das Feedback umzusetzen und Fragen, die während des Pleadings aufgekommen waren, zu recherchieren.

In dieser Phase hatten wir auch endlich die Gelegenheit, einige Alumni kennenzulernen. Die Richterbank, vor der wir plädierten, war jeden Tag eine andere und bestand aus Alumni, Mitarbeiter*innen und anderen Moot Court Teilnehmer*innen, die sich alle Zeit für uns nahmen und sich unsere Pleadings anhörten.

Kanzleipleadings

Um noch mehr Abwechslung zu schaffen und den „Ernstfall“ zu üben, besuchten wir einige Kanzleien in Frankfurt und Stuttgart, bei denen wir ebenfalls unsere Pleadings vortrugen und mit weiteren Ratschlägen und sehr viel Essen versorgt wurden. Außerdem gab es dabei auch die Möglichkeit, sich mit erfahrenen Anwälten auszutauschen und mehr über den Joballtag in Großkanzleien zu erfahren.

Kanzleipleadings 2

Johanna Heibrock, Sophia Gasenzer, Friederike Utsch und Alexander Goeden (v.l.n.r.) mit Ausblick auf die Frankfurter Skyline.

Kanzleipleadings 1

Alexander Goeden, Sophia Gasenzer, Rory Dickson, Friederike Utsch und Johanna Heibrock vor der alten Oper in Frankfurt, auf dem Weg zum nächsten Kanzleipleading.

Kanzleipleadings 3

Alles liegt bereit - gleich geht es los!

 

Schwarzwaldhütte

Ein weiteres Highlight unserer Pleadingphase war die Hütte im Schwarzwald, bei der wir abgesehen von Schneespaziergängen und -schlachten weiter intensiv an unseren Pleadings feilten, an unseren Improvisations- und Ausdrucksfähigkeiten arbeiteten und literweise Tee tranken.

Schwarzwaldhütte 1

Nachmittagsspaziergang im Schnee bevor das Pleaden weiter geht.

 

Zum Ende der Pleadingphase fand ein Abschlusspleading als Generalprobe statt, bei dem wir Freunde zum Zuschauen einladen durften und dann war es auch schon Zeit die Koffer für die German National Rounds in Göttingen zu packen.

 

German National Rounds

 

Unsere German National Rounds begannen früh morgens am 4. März, als wir am Freiburger Hauptbahnhof in den Zug Richtung Göttingen einstiegen. Die allseitige Nervosität stieg, als wir tagsüber die letzten Vorbereitungen trafen, wie etwa Post-its an die richtigen Stellen in unseren Unterlagen zu kleben oder doch noch den ein oder anderen Fall zu recherchieren. Dankenswerterweise konnten wir wie immer auf die volle Unterstützung unserer Coaches zählen, die uns gut zusprachen und zudem mit kiloweise Snacks aus dem nächsten Supermarkt zurückkehrten.

Alexander Goeden und Sophia Gasenzer (unser Respondent-Team) auf dem Weg nach Göttingen.

National Rounds 1

Letzte Vorbereitungen werden getroffen ...

 

Abends machten wir uns auf den Weg zur Auftaktveranstaltung – der Welcome Reception, die in den historischen Räumlichkeiten des Alten Rathauses stattfand. Voller Spannung warteten wir darauf, dass endlich verkündet wurde, gegen welche Teams wir in den Vorrunden antreten sollten. Als es endlich soweit war, hieß es so schnell wie möglich zurück ins Hotel zu laufen, um die Schriftsätze der gegnerischen Teams zu lesen. Gottseidank waren jedoch keine Argumente dabei, die uns völlig neu waren!

National Rounds 2

Friederike Usch, Alena Hünermund (Coach), Sophia Gasenzer, Siyabend Duman (Coach), Alexander Goeden und Johanna Heibrock bei der Welcome Reception der German National Rounds.

 

In den nächsten zwei Tagen hieß es nun, sich in den Vorrunden zu behaupten und genug Punkte zu sammeln, um in die Knock-out Rounds vorzurücken. Unser erstes Match begann bereits auf hohem Niveau: Die Richter stellten anspruchsvolle Fragen und unser gegnerisches Team war stark, es sollte es später sogar bis in das Finale schaffen. Doch die Vorrunden zeigten uns, dass sich die intensive Vorbereitung durch unsere Coaches gelohnt hatte.

Am Ende der zwei Tage saßen wir mit flauem Magen beim Announcement Dinner, gemeinsam mit allen anderen deutschen Teams. Nun würden wir erfahren, wer ausgeschieden war und wer am nächsten Tag noch einmal antreten durfte. Dann wurden die Teams ausgerufen, die sich für die Finalrunden qualifiziert hatten. Ein Team nach den anderen wurde ausgerufen, doch nicht unseres. Sollte es am Ende doch nicht gereicht haben? Am Ende war nur noch ein Team übrig: Wenn das nicht unsere Teamnummer war, war der Jessup Moot Court für uns vorbei. Doch dann die Erleichterung: 155 – Uni Freiburg!

Damit begann die wohl intensivste Phase der German National Rounds. Bis spät in die Nacht, stets mit Unterstützung unserer Coaches, übten wir Gegenargumente und schwierige Fragen. Am nächsten Morgen trat unser Respondent (Beklagter) gegen den Applicant der Universität Bochum im Viertelfinale an. Wir waren sehr angespannt, aber auch konzentriert. Die Pleadings liefen gut und es wurde deutlich, dass wir auch während der German National Rounds gewachsen waren. Doch das gegnerische Team war stark, und am Ende war es eine knappe Entscheidung. Aber es hatte gereicht: Wir hatten gewonnen und rückten ins Halbfinale vor!

Als der erste Redner im Halbfinale auftrat, wurde klar, dass dieses Team sehr schwer zu schlagen sein würde. Trotz einiger Zeitmanagement-Probleme legten sie einen nahezu perfekten Auftritt ab. Unsere Respondents gaben ihr Bestes, doch die kurze Nacht und das Match am Morgen hatten ihre Spuren hinterlassen. So gewann am Ende das gegnerische Team, die Bucerius Law School aus Hamburg, und qualifizierte sich damit für das Finale.

Dennoch war der Tag für uns noch nicht zu Ende. Da sich dieses Jahr drei Teams für Washington qualifizieren konnten, traten wir nachmittags nun im Pleading um den dritten Platz gegen die Universität Passau an. Dieses Pleading war vor allem eines: eine Mobilisierung aller verbleibenden körperlichen Kräfte. Trotz aufkommender Schwindelgefühle rissen wir uns zusammen und versuchten, uns so gut wie möglich den Fragen der fünf Richter*innen zu stellen.

So konnten wir am Ende des Tages zufrieden zum Championship Dinner gehen, denn wir wussten, wir hatten alle unser Bestes gegeben. Nach einem ausgiebigen Essen und den ersten Gläsern Wein wurden dort nun die Preise vergeben. Zu unserer Überraschung erreichten wir den dritten Platz in der Kategorie „Best Memorial“ und Alexander gewann den Preis für das beste Rebuttal und Surrebuttal. Doch erst ganz zum Schluss ging es um die entscheidende Frage, ob wir den dritten Platz erreicht hatten und nach Washington fliegen durften oder nicht. Zu unserer großen Freude und Erleichterung hieß es: And the winner is – Freiburg! Wir lagen uns in den Armen und konnten den Rest des Abends gemeinsam mit den anderen Teams ausgelassen feiern.

Team 2019/2020 bei den GNR

Das Freiburger Jessup Team 2019/2020 beim Championship Dinner der German National Rounds.

(v.l.n.r. Johanna Heibrock, Alena Hünermund (Coach), Elisabeth Andersen (Head Coach), Sophia Gasenzer, Alexander Goeden, Friederike Utsch, Siyabend Duman (Coach))

 

International Rounds (Online)

 

Leider wurden die International Rounds in Washington, D.C. eine Woche später aufgrund des sich weiter ausbreitenden Coronavirus abgesagt. Dennoch sind wir glücklich, diese tolle Erfahrung gemeinsam durchlebt zu haben. Unter allen 134 Teams weltweit, die sich für die International Rounds qualifiziert haben, konnten wir mit unseren beiden Schriftsätzen den 39. Platz als bestes deutsches Team der internationalen Runden belegen.

International Rounds

International Rounds Online Awards Ceremony am 25.04.2020, Verleihung des Alona E. Evans Awards. Mehr Informationen zu den International Rounds gibt es hier.

 

Danksagungen

 

Zum Schluss danken wir allen, die uns auf unserem Weg nach Göttingen (und eigentlich auch nach Washington, D.C.) unterstützt haben. Insbesondere wollen wir uns bei unseren Coaches bedanken, ohne die wir das sicherlich nicht geschafft hätten.

Daneben danken wir Skadden, Arps, Meagher & Flom, White & Case, Gleiss Lutz und Shearman & Sterling für die tatkräftige Unterstützung durch Probepleadings.

Wir freuen uns darauf, als Alumni die nächsten Freiburger Jessup-Teams zu begleiten! Insbesondere dem nächsten Team wünschen wir viel Spaß, tolle Erinnerungen und Durchhaltevermögen und hoffen, dass eine Qualifikation für die International Rounds erneut gelingt!