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Team 2014/15

Der Jessup ist eine Extremerfahrung, die wir jedem ans Herz legen, der eine Herausforderung sucht. Im Rückblick war es eine Zeit, die uns viel über das Recht, die Juristerei und noch viel mehr über uns selbst gelehrt hat.

Nach unzähligen Stunden harter Arbeit sowie exzessivem Süßigkeiten- und Kaffeekonsum ist unsere Jessup-Zeit im März 2015 zu Ende gegangen. Alles in allem war es eine großartige Erfahrung. Das Sahnehäubchen unseres atemberaubenden Abenteuers blieb uns allerdings leider verwehrt. Den Flieger in die USA haben wir verpasst – so ist das manchmal im Leben.

Foto Team 2014/15
Das Freiburger Jessup-Team 2015 (von links): Maximilian Stützel, Alexander Perlin, Alena Olaobaju (beide Coaches), Lukas Mengestu, Bettina Rothfuß, Max Paul Behrend, Anna-Katharina Hübler, Lisa Frense (beide Coaches), Lorcán Hyde

Angelehnt an die aktuelle Krim-Krise, drehte sich der gut 30-seitige Compromis um brandaktuelle Themen des Völkerrechts. Im Kern ging es um ethnische und ressourcenbedingte Konflikte. Streitpunkte waren das Gewaltverbot zwischen Staaten sowie die Auslegung alter Verträge, Sezession, Annexion, die Anstiftung zu blutigen Unruhen in einem anderen Staat und die allesentscheidende Frage, wie es mit der „Krim“ und ihren Rohstoffen letztendlich weitergeht.

Schriftsatzphase

Foto Team 2014/15In der Schriftsatzphase musste unser Team als erstes die Memorials erstellen. Das sind die Schriftsätze der Anklage und der Verteidigung, die beim Internationalen Gerichtshof einzureichen sind und die der Gegenseite kurz vor der Verhandlung zugestellt werden.

Hierfür galt es, den Jessup-Stil (eine Art Urteilsstil) zu erlernen, auf Englisch in sich stimmige Argumentationsketten zu formulieren und völkerrechtliche Probleme zu lösen. Zugleich untersuchten wir so ziemlich jegliche einschlägigen Urteile, Sachverhalte, Aufsätze und Kommentare auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede, um so die beste und logischste Argumentationskette für die eigene Position zu erarbeiten. Anders als in der „normalen“ Falllösung ging es nicht darum, eine möglichst objektive Bewertung der Rechtslage zu erstellen, sondern möglichst überzeugend die eigenen Punkte darzustellen und auf die Argumente der Gegenseite immer mit einem noch besseren Argument zu antworten.

Über die nächsten Monate folgten daher unzählige Arbeitsstunden, Diskussionen, Schriftsatzentwürfe sowie extrem viel Zucker und Koffein. Wir sahen uns gerade nach dem Anfang der Schriftsatzphase mehr als 12 Stunden täglich, sodass der Jessup schnell zu unserem einzigen Lebensinhalt wurde, was wirklich wortwörtlich zu verstehen ist.

All das klingt sicher ziemlich anstrengend, und das war es auch! Und wie! Aber es hat sich gelohnt.

Durch die gemeinsame Grenzerfahrung sind wir Freunde geworden. Die gemeinsame Arbeits- und Leidenszeit, die endlose Teamarbeit sowie der unglaublich starke Mannschaftsgeist ließen die Jessup Zeit zu der bisher anspruchsvollsten und zugleich schönsten Zeit unseres Studiums werden. Unsere fleißigen wie fantastischen Betreuer Lisa und Alena unterstützten uns in dieser Zeit mit Kritik, lasen unsere Schriftsätze Korrektur, verteilten Ratschläge, beteiligten sich an Diskussionen und  motivierten uns, wenn wir uns mal wieder im Dschungel des Völkerrechts verloren hatten.

Als wir im Januar die Schriftsätze endlich fertiggestellten hatten, wussten wir, dass sich die Arbeit gelohnt hatte. Wir waren noch nie so stolz auf unsere eigene geleistete Arbeit. Die Erleichterung und die grenzenlose Euphorie in dem Moment der Fertigstellung der Memos ist eine der schönsten und intensivsten Erinnerungen an unsere gemeinsame Jessup-Zeit.

Hatte sich die Teilnahme am Jessup für uns bis dahin bereits gelohnt, ahnten wir noch nicht, dass uns die beste Zeit noch bevorstand...

Mündliche Phase

Foto Team 2014/15Main-Tower, Frankfurt am Main, im Februar 2015: „Thank you Mister President. Mister President, Honorable Members of the Bench, may it please the Court. My name is...“ — Es ging los! Die mündliche Phase stand an. Zum ersten Mal trugen wir unsere Arbeit außerhalb der Universität vor.

Unsere Richter hatten uns freundlich empfangen, boten uns Häppchen und ein wenig Sekt an und fragten uns, ob uns die Temperatur im Raum mit Panoramablick auf die Frankfurter Skyline aus dem 35. Stock denn genehm sei. An diesem Tag urteilten hochbezahlte Staranwälte als Richter über uns. Das waren Leute, die mitunter seit Jahrzehnten mit dem Völkerrecht arbeiten. Unsere Vorbereitungszeit von gerade einmal fünf Monaten erschien uns dagegen dann doch wieder eher kurz... Die Besuche bei Frankfurter Großkanzleien waren Teil der Vorbereitung auf den eigentlichen Wettbewerb. Insgesamt stellten wir unsere Arbeit bei fünf Kanzleien vor, was an sich schon viel Mut und Überwindung brauchte und hervorragendes Training war für das, was noch kommen sollte. Zuvor hatten wir bereits in Freiburg in vielen „Pleadings“, so nennt man die Plädoyers, geübt, um unsere in der Schriftsatzphase erarbeiteten Argumentationen nun auch endlich mündlich überzeugend und im Stil eines souveränen, hochprofessionellen Anwalts vorzutragen. Als Proberichter halfen uns hier ehemalige Mooties, Mitarbeiter von Lehrstühlen und mitunter auch einige Professoren höchstpersönlich. Darüberhinaus hatten wir professionelles Rhetoriktraining, die Erfahrung zahlreicher Ex-Mooties und unsere Coaches, die unermüdlich mit uns arbeiteten und uns halfen, unsere Vorträge noch besser zu machen, auf Englisch möglichst flexibel auf die schwierigen Fragen der Richter zu antworten und uns allgemein beibrachten, wie man vor Gericht aufzutreten hat. In dieser Zeit hatten wir bis zu vier Pleadings wöchentlich, die es vorzubereiten galt.

Traininglager

Voller Tatendrang, Ehrgeiz und einer Menge guter Laune im Team entschlossen wir uns zudem, ein Trainingslager zu veranstalten. Eine Schnappsidee, die dann auch gleich konkret umgesetzt wurde. Wir fuhren von einem Pleading in Frankfurt direkt in die Röhn, wo wir ein Ferienhaus im Tiefschnee gemietet hatten, um dort fünf Tage intensiv an unseren Vorträgen zu arbeiten und kritischen rechtlichen Punkte noch weiter im Detail nachzugehen. Wir feilten also an unseren Einleitungen, strukturierten unsere Vorträge und trugen uns gegenseitig das vor, was wir uns in den Stunden zuvor erarbeitet hatten. Eine Menge Arbeit, bei der (zum Glück) der Spaß auch nicht zu kurz kam.

National Rounds

Foto Team 2014/15Anschließend ging es dann nach Heidelberg zu den National Rounds. Unsere große Woche stand an. Endlich lernten wir all diejenigen kennen, die sich ebenfalls für eine so lange Zeit mit unserem Fall beschäftigt hatten. In den Verhandlungen lief es gut, wir erhielten hohe Sprecherwertungen und die Richter attestierten unseren Verhandlungen mehrmals, dass diese über dem Niveau von Finals der Vorjahre gewesen seien. So landeten wir bei den Sprecherpunktzahlen noch vor dem späteren Siegerteam der HU Berlin auf dem dritten Platz. Trotz all dem schieden wir jedoch mit etwas Pech im Verlauf des Wettbewerbs knapp aus, sodass unser Traum von Washington leider unerfüllt blieb. Wir sind dennoch stolz auf uns und wünschen nun dem nächstjährigen Team eine mindestens genauso schöne Zeit!

Das Freiburger Team bedankt sich bei all seinen Geldgebern und Sponsoren, die uns diese einzigartige Erfahrung ermöglichten!

Ein besonderer Dank gilt zudem insbesondere unseren exzellenten Betreuern Lisa Frense und Alena Olaobaju, den Lehrstühlen von Prof. Dr. Murswiek und Prof. Dr. Kaiser für das Bereitstellen unserer Arbeitsräume, dem gesamten Team des Lehrstuhls von Prof. Dr. Vöneky, Anna Hübler für ihre große fachliche und organisatorische Unterstützung, allen Ex-Mooties, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen sowie Felix Beck, der uns durch seine Computerkenntnisse mindestens drei Wochen Formatierungsarbeit ersparte. Darüberhinaus danken wir allen Schriftsatzlesern und Proberichtern sowie Frau Plonner und Frau Nagel.