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Team 2012/13

Mit großartigem Ergebnis hat das Freiburger Team (bestehend aus Lisa Shamiso Frense, Jakob Methodius Jürgensen, Felix Beck, Nikolas Benedict Hertel und Alena Olaobaju) erstmalig am Philip C. Jessup International Law Moot Court teilgenommen.

Das Team erzielte im Rahmen der deutschen Vorausscheidung in der Gesamtwertung den 5. Platz (von insgesamt 21 teilnehmenden Teams); zudem erreichte es mit der höchsten Gesamtpunktzahl aus Redner- und Schriftsatzwertung Platz 1 in der Gesamtwertung.

Darüber hinaus stammen die drei besten Redner unter allen – mehr als 80 – teilnehmenden Studierenden aus Freiburg: Lisa Shamiso Frense wurde als beste Sprecherin ausgezeichnet (Best Oralist Award), Jakob Methodius Jürgensen als zweitbester Sprecher (Oralist Runner-Up Award), und Felix Beck belegte Platz 3 in der Wertung der Sprecher.

Das Team wurde am Lehrstuhl von Prof. Silja Vöneky von Anna-Katharina Hübler betreut.

Erfahrungsbericht

Das erste Mal trafen wir auf unsere „Ersatzfamilie“ für das darauffolgende halbe Jahr im Juli. Bereits im Sommersemester hatten wir uns als „Mooties“ im Team der Universität Freiburg beworben, die 2013 zum ersten Mal an der Philip C. Jessup International Law Moot Court Competition teilnahm. In kurzen Vorträgen zu einem selbstgewählten völkerrechtlichen Thema stellten wir nicht nur unsere Englischkenntnisse unter Beweis – mit Rückfragen wurden wir auch auf unsere Spontaneität getestet. Bald erfuhren wir, dass wir uns im kommenden Semester nicht mit Sachen- und Baurecht, sondern mit völkerrechtlichen Problemen auseinander setzen würden. Von massiv ansteigendem Kaffeekonsum und zahlreichen durchgearbeiteten Nächten ahnten wir zwar noch nichts, dafür freuten wir uns umso mehr auf die Teilnahme am Jessup.

Foto Team 2012/13Das Freiburger Jessup-Team 2013 (von links): Lisa Frense, Anna-Katharina Hübler (Coach),
Alena Olaobaju, Jakob Jürgensen, Nikolas Hertel und Felix Beck
 
 

Wenig später trafen wir zum ersten Mal auf unsere Teamkollegen – Lisa Frense, Alena Olaobaju, Felix Beck, Nikolas Hertel und Jakob Jürgensen – und bald darauf auch auf unseren Chefcoach, Anna-Katharina Hübler. Sie hatte bereits erfolgreich an den International Rounds in Washington, D.C. teilgenommen, war dann student coach und letztes Jahr als Richterin in DC. Ohne Annas Erfahrung und unermüdliche Unterstützung wäre unser Teilnahme wohl schon an der Anmeldung gescheitert, spätestens bei den Stilfragen und der Stringenz unserer Argumente war Anna eine unverzichtbare Unterstützung.

Großartige Unterstützung während der gesamten Zeit erfuhren wir durch das Team des Lehrstuhls für Völkerrecht und Rechtsvergleichung, insbesondere durch Frau Prof. Vöneky und die wissenschaftlichen Mitarbeiter Anja Höfelmeier und Constantin Teetzmann. Sie halfen uns bei Rechercheproblemen weiter, lasen unermüdlich unsere Schriftsätze Korrektur, hörten sich unendliche Male unsere Pleadings an und standen immer als Ansprechpartner zur Verfügung. Zudem wurden wir von Janine Dumont von der Uni Basel unterstützt, die letztes Jahr die Schweiz in Washington vertreten hatte.

Die Sommerferien verbrachten wir relativ unspektakulär: Wir schrieben Hausarbeiten, machten ein bisschen Urlaub und lasen uns in das allgemeine Völkerrecht ein. Einige von uns hatten sich schon vorher mit Völkerrecht auseinandergesetzt, für die meisten war die Materie neu. „Brownlie’s Principles“, eines der englischsprachigen Standardwerke, wurde für uns alle ein treuer Wegbegleiter und war auch später oft die erste Anlaufstelle beim Recherchieren neuer Probleme.

Arbeit an den Schriftsätzen

Mitte September wurde der – rein fiktive – Sachverhalt veröffentlicht. In diesem Compromis einigen sich beiden Streitparteien nicht nur, den Fall vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen, sondern verständigen sich auch auf die Fakten des Konflikts. Der Klägerstaat Alfurna hatte durch den Klimawandel sein Staatsgebiet verloren und beanspruchte, dennoch weiter ein Staat zu sein. Der Industriestaat Rutasia bestritt dies und war der Ansicht, die Konfiszierung von Bankguthaben Alfurnas sei rechtmäßig gewesen. Außerdem stritten sich die Staaten um den völkerrechtlichen Status einer Gruppe von alfurnischen Migranten, die in Seenot in rutasischen Hoheitsgewässern aufgelesen wurden.

Nachdem wir den etwa 20 Seiten langen Text detailliert ausgewertet, zusammengefasst und in Übersichten gegliedert hatten, begann die Arbeit an den Schriftsätzen. Die ersten Wochen verbrachten wir damit, die Klagebegehren zu durchdringen und die aufgeworfenen Probleme grundlegend zu recherchieren. Spannend war dabei, dass wir nicht nur für eine Streitpartei argumentieren mussten, sondern für beide. Hitzige Diskussionen waren vorprogrammiert! Zum Glück nur konstruktive Diskussionen, denn wir unterstützten uns natürlich gegenseitig bei der Recherche und dem Entwickeln von Argumenten. Besonders spannend war, dass viele der aufgeworfenen Probleme eng an reale Sachverhalte angelehnt waren. Die in unserem Fall hochumstrittenen Bedingungen im „Woeroma Immigration Processing and Detention Center“ waren beispielsweise sehr ähnlich zu denen in einem Flüchtlingscamp namens Woomera Center in Australien, das inzwischen aufgrund der katastrophalen Haftumstände geschlossen wurde.

Die Umstellung auf das Arbeiten auf Englisch war nicht die einzige sprachliche Herausforderung. Dazu kam auch, dass der in den Schriftsätzen geforderte „Jessup-Stil“ in jeder Hinsicht der genaue Gegensatz des deutschen Gutachtenstils ist: Anstatt einer Darstellung von Streitständen führten wir nur die Argumente und Nachweise an, welche die Thesen der jeweiligen Seite stützten. Gefordert war auch nicht Obersatz und Subsumption, sondern eine Art Urteilsstil, in dem jedes aufgestellte Argument absolut stringent und logisch belegt werden muss.

Ohne ein eigenes Büro wäre die Arbeit kaum zu bewältigen gewesen – schließlich verbrachten wir nicht nur viele Stunden auch abends und am Wochenende dort, sondern benötigten auch einen umfangreichen Handapparat an Büchern. Anfangs teilten wir uns ein kleines Büro am Lehrstuhl von Frau Prof. Vöneky, für das auch die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen enger zusammenrückten. Im Oktober konnten wir dann in die Räume des vakanten Lehrstuhls von Herrn Prof. Schwarze einziehen, wo wir uns zunehmend heimisch fühlten – schließlich verbrachten wir meist über 12 Stunden täglich in den Räumen und hatten Zugriff auf eine Bibliothek mit umfangreicher völkerrechtlicher Ausstattung.

Einige Male fuhren wir zur Recherche auch zum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht nach Heidelberg. Zwischendurch gab es auch Klausuren zu bewältigen – mit größtenteils minimalem Lernaufwand konnten wir je zwei kleine bzw. einen großen Schein bestehen.

Die Weihnachtspause fiel in diesem Jahr kurz aus, und nach nur drei Tagen waren alle wieder in Freiburg. Auch Silvester verbrachten wir zusammen – schließlich war die Abgabefrist für die Schriftsätze schon Mitte Januar. In den letzten Wochen bestand die Herausforderung insbesondere darin, das Memorial auf das knappe Wortlimit zu kürzen. Dabei musste jeder Satz und jede Fußnote in die Waagschale gelegt werden. Keine leichte Aufgabe, schließlich waren unsere Texte das Ergebnis eines Vierteljahres intensiver Recherchearbeit! So manche Passage, in die wir Rechercheergebnisse zu enthusiastisch und ausführlich eingearbeitet hatten, musste noch einmal im logischen und knappen Jessup-Stil neu formuliert werden. Rückblickend war das Revidieren, Kürzen und Präzisieren der Schriftsätze in den letzten Tagen eine wichtige Erfahrung, die uns auch beim Schreiben künftiger Texte sehr hilfreich sein wird.

Die letzten 45 Stunden vor der Abgabe haben wir durchgearbeitet und viel Zeit mit den Formalia verbracht. Die Abgabe erfolgte zwar pünktlich (7 Minuten vor Fristablauf), aber unter erheblichem Nerveneinsatz. Bis zum Schluss gab es Korrekturen einzuarbeiten und die Tücken der Textverarbeitung zu überwinden. Dabei war unter Zeitdruck des immer näher rückenden Zeitlimits noch einmal allerbeste Teamarbeit gefragt. Neben Aufgaben, in die das gesamte Team eingebunden war, wurden in den letzten Stunden auch kleinere „Spezial-Einheiten“ gebildet, um sich zu zweit oder dritt effektiv noch einmal der Verbesserung, Formatierung, der Vervollständigung des Literaturverzeichnisses oder dem Abschicken der Memorials zu befassen.

Vorbereitung auf die Pleadings

Nach der Abgabe der Memorials ging es sofort an die Vorbereitung auf die Pleadings. Im Wettbewerb zählen die mündlichen Wertungen zwei Drittel und sind so von zentraler Bedeutung. In 45 Minuten, verteilt auf je zwei Oralists, galt es die überzeugendsten Argumente zu präsentieren. Die Richter konfrontieren die Redner mit zahlreichen Fragen – einfache Rückfragen zu den Argumenten und allgemeine Fragen zum Völkerrecht gilt es souverän zu beantworten und (teils absurden) Einwänden und Hypothesen der Richter souverän zu entgegnen. Außerdem mussten die Redner ohne große Brüche zurück zu ihrer eigentlichen Argumentation kommen.

Unser Pleading wurde immer weiter optimiert, teilweise komplett umgestellt und mit neuen Argumenten untermauert. In vielen Fällen mussten wir auch Antworten auf die gestellten Fragen nachrecherchieren. Dazu kamen nahezu tägliche Probepleadings. Nicht nur unsere Coaches waren dabei unermüdlich, sondern insbesondere auch Anja Höfelmeier und Constantin Teetzmann vom Lehrstuhl, die sich unsere Argumente immer wieder aufs Neue anhörten und sich neue Fragen einfielen ließen. Sie trugen maßgeblich dazu bei, dass wir in unseren Vortrag nicht nur sukzessive optimieren konnten, sondern auch die notwendige Routine bekamen. So identifizierte sich jedes Teammitglied zunehmend mit seiner Rolle als Agent for the Applicant bzw. Respondent, sodass es mitunter zu tatsächlich heftig geführten Auseinandersetzungen über die Argumente kam. Diese Diskussionen dienten aber wie kaum ein anderes Mittel der Vorbereitung und Einarbeitung auf die beim Wettbewerb gestellten Fragen, brachten uns zugleich als Team noch näher zusammen und machten letztlich auch viel Spaß.

Im echten Wettbewerb gegen andere Teams stellen Richter je nach Hintergrund durchaus unterschiedliche Fragen. Die überwiegende Zahl unserer Probepleadings hatten wir vor Richtern, die nicht nur versiert im Völkerrecht, sondern auch mit unserem Fall waren. In der nationalen Ausscheidung standen wir teilweise auch vor Richtern, deren Fragen oft grundsätzlicherer Natur und damit schwieriger zu beantworten waren als einfache „Wissensfragen“, auf die wir uns im Vorfeld intensiv vorbereitet hatten. Nicht nur aus diesem Grund hat es uns sehr gefreut, dass neben Frau Prof. Vöneky auch die Professoren Murswiek und Weller für Probepleadings zur Verfügung standen. Enorm hilfreich waren auch die Pleadings bei den Kanzleien SZA in Mannheim sowie bei Shearman & Sterling in Frankfurt. Dort konnten wir den „Ernstfall“ in einer fremden Umgebung und vor fremden Richtern proben, die uns mit völlig neuen Fragen konfrontierten und teilweise sprichwörtlich „auseinandernahmen“.

Nationale Vorausscheidung

Mitte Februar fuhren wir dann zur nationalen Vorausscheidung nach Heidelberg. Am Mittwochabend erfuhren wir nicht nur unsere Vorrundengegner, sondern auch die Zahl unserer Strafpunkte für formale Fehler in unseren Schriftsätzen. Ein erster Dämpfer! Dennoch machten wir uns unbeeindruckt, mit spärlichem Abendessen und bis spät in die Nacht daran, die Schriftsätze unserer Gegner zu analysieren und unsere eigenen Argumentationen entsprechend umzustellen.

In den folgenden zwei Tagen hatten wir insgesamt vier Vorrundenbegegnungen – je zwei auf Kläger- und zwei auf Beklagtenseite. Da in Heidelberg 21 Teams angetreten waren, war die Vorrunde faktisch eine KO-Runde und wir mussten alle Begegnungen gewinnen, um eine Chance zu haben ins Halbfinale vorzustoßen. Am Freitagabend erfuhren wir, dass uns das nicht gelungen war. Im Finale am Samstag waren wir somit nur Zuschauer. Dort war die Richterbank dafür hochrangig besetzt, u.a. mit (teilweise ehemaligen) Richtern des IGH, des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts.

Umso größer war die Überraschung am Samstagabend: Die besten drei Redner kamen aus Freiburg! Lisa wurde als Best Oralist und Jakob als Runner-Up ausgezeichnet. Felix belegte direkt dahinter den dritten Platz. Insgesamt kamen alle Sprecher unter die Top 15. Dazu hatten wir das zweitbeste Memorial geschrieben – unsere Strafpunkte brachten uns hier um den ersten Platz. In der Summe aller Einzelwertungen hatten wir mit Abstand am besten abgeschnitten. In der Gesamtwertung belegten wir den 5. Platz. Im ersten Moment erschien dieses Ergebnis geradezu skurril – mittlerweile stehen der Enttäuschung allerdings noch mehr positive Erfahrungen gegenüber, die das Finale in Washington verschmerzen lassen.

Spätestens am Samstag kam auch das Feiern nicht zu kurz. Wir konnten so nicht nur spannende Gespräche mit einigen Richtern führen, sondern später ließ sich auch so mancher Richter auch auf die Tanzfläche zerren.

Schluss & Ausblick

Trotz aller Arbeit war die Teilnahme im Jessup ein einmaliges Erlebnis, die sich nicht in wenigen Worten beschreiben lässt. Neben der Auseinandersetzung mit einem spannenden Rechtsgebiet, das nur wenig mit dem deutschen System gemein hat, war besonders die intensive Zusammenarbeit im Team eine Erfahrung, die uns eng zusammengeschweißt und jeden auch an seine Grenzen gebracht hat.

Die großartige Unterstützung durch unsere Coaches und das Team um Prof. Vöneky – sowohl in „logistischen“ Dingen als auch bei der Erstellung der Schriftsätze und der mündlichen Vorbereitung – machte unsere Teilnahme am Jessup erst möglich. Sie machte viele Startnachteile aufgrund der Tatsache, dass wir als erstes Freiburger Team am Jessup teilnahmen, wett. Dazu kam die Unterstützung der Fakultät und der Sponsoren, die uns nicht nur die Teilnahme an der Vorausscheidung in Heidelberg, sondern auch die Fahrten zum MPI sowie zu den Kanzleien ermöglichten.

Einige von uns werden nun das nächste Team als student coaches mitbetreuen – unser Abschneiden in diesem Jahr spornt an! Für die Zukunft wünschen wir uns, dass die Fakultät die Teilnahme am Jessup auch in Zukunft unterstützt und trotz der gegebenen Raumnot ein Büro stellen kann. Außerdem wäre schön, wenn sich in Freiburg ein Netzwerk von Jessup-Alumnis aufbauen ließe, die das jeweils teilnehmende Team unterstützen und ihre Erfahrungen weitergeben.